Politik

Geheimdienst greift ein Türkei befreit 49 Geiseln aus IS-Gewalt

Für 49 türkische Geiseln geht ein monatelanger Albtraum zu Ende. Doch viele Fragen bleiben offen: Wie brachte Ankara die Terrormiliz IS dazu, die Geiseln wohlbehalten zu übergeben? Schloss Ankara einen Deal mit den Terroristen?

Davutoglu machte keine Angaben zu den näheren Umständen.

Davutoglu machte keine Angaben zu den näheren Umständen.

(Foto: dpa)

Die vor über drei Monaten von IS-Milizen im Irak verschleppten türkischen 49 Geiseln sind frei. Die Diplomaten, ihre Familienangehörigen sowie Mitglieder türkischer Spezialeinheiten wurden aus Syrien nach Sanliurfa im Süden der Türkei gebracht, auf die wegen des Vormarsches des IS in Syrien eine neue Flüchtlingswelle zurollt. Rund 45.000 Kurden flohen binnen 24 Stunden vor den vorrückenden Milizen des Islamischen Staates (IS) auf türkisches Gebiet.

Die Geiseln waren nach Angaben aus Geheimdienst-Kreisen von der IS-Hochburg Rakka nach Tel Abjad gebracht und in der Nacht zum Samstag freigelassen worden. Von dort ging es weiter nach Sanliurfa, wo die Gruppe von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu in Empfang genommen wurde. Danach wurden die ehemaligen Geiseln nach Ankara geflogen, wo bereits Angehörige warteten.

Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach von einer sorgfältig vorbereiteten Rettungsaktion des Geheimdienstes MIT. Details wurden nicht bekannt. Davutoglu erklärte, der MIT habe die Befreiung der Geiseln "mit seinen eigenen Methoden" erreicht.

Weder Lösegeld noch Kämpfe

Nach n-tv-Recherchen zahlte die Türkei kein Lösegeld. Bei der Befreiungsaktion sei es auch nicht zu Zusammenstößen mit den Islamisten gekommen.

Bei anderen Geiselnahmen hatte IS Lösegeld gefordert. Frankreich soll unbestätigten Berichten zufolge durch Geldzahlungen die Freilassung von Landsleuten erreicht haben. Die US-Regierung lehnt dies grundsätzlich ab. In den vergangenen Wochen waren zwei amerikanische Journalisten vom IS enthauptet worden. Für mindestens einen von ihnen hatte IS Lösegeld gefordert.

Auch mit Verweis auf die Entführten hat sich das Nato-Land Türkei im Kampf gegen IS bislang zurückgehalten, für den die USA eine möglichst breite Allianz formiert. Die Islamistenmiliz kontrolliert große Teile Syriens und des Irak, die beide an die Türkei grenzen. Die sunnitischen Islamisten haben in Teilen Syriens und Iraks ein Kalifat ausgerufen und gehen dort mit äußerster Brutalität gegen alle vor, die sie als Ungläubige ansehen.

In New York rief der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die internationale Gemeinschaft auf, den Irak im Kampf gegen IS zu unterstützen. Es gehe darum, einen "militanten Kult, der sich als religiöse Bewegung maskiert, zu dezimieren und zu diskreditieren", erklärte US-Außenminister John Kerry. Die USA fliegen seit mehreren Wochen Luftangriffe gegen Stellungen des IS im Irak. Inzwischen werden sie dabei von Frankreich unterstützt. Die USA wollen ihre Angriffe auch auf IS-Ziele in Syrien ausweiten.

Türkei öffnet Grenzkorridor

Angesichts der IS-Offensive im nordsyrischen Kurdengebiet öffnete die Türkei am Freitag einen Grenzkorridor. Seither seien rund 45.000 Kurden durch diesen Übergang in die Türkei geströmt, sagte stellvertretende Ministerpräsident Numan Kurtulmus dem TV-Sender CNN Turk. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier dankte der Türkei für die Bereitschaft, die "großen Lasten" durch die Flüchtlingsströme zu schultern.

Die IS-Offensive zielt auf die Stadt Ain al-Arab, die auch unter ihrem kurdischen Namen Kobani bekannt ist. Nach Angaben eines Anführers der Kurden-Truppen waren IS-Milizionäre in der Nacht bis auf 15 Kilometer auf Kobani vorgestoßen. Sie hätten bei ihrem Vormarsch Raketen, Granaten und Panzer eingesetzt. Bei den Gefechten, die am Samstag andauerten, seien mindesten 18 IS-Milizionäre getötet worden, sagte Esmat al-Scheich per Telefon aus dem Kampfgebiet. Rund 30 Ortschaften in der Umgebung von Kobani seien von den Kurden bereits aufgegeben worden. Um weitere 30 werde gekämpft.

"Die Gefechte begannen am Morgen, und wir sind im Auto geflohen. Wir sind insgesamt 30 Familien", berichtete Lokman Isa, ein 34 Jahre alter Bauer nach seiner Ankunft in der Türkei. Die IS-Milizen seien mit schwerem Gerät in sein Dorf Celebi eingerückt. Die kurdischen Kämpfer seien nur mit leichten Waffen ausgerüstet gewesen.

Eine syrische Beobachtergruppe berichtete, in der Nacht seien mehr als 300 kurdische Kämpfer von der Türkei aus in das Nachbarland eingerückt, um in den Kampf um Kobani einzugreifen.

Zu welcher Kurden-Gruppe sie gehörten, sei unklar. Der Angriff des IS auf die kurdischen Dörfer und ihre Belagerung von Kobani hat die kurdische Arbeiterpartei PKK in der Türkei veranlasst, ihre Anhänger zu den Waffen zu rufen, um gegen die IS zu kämpfen. Die PKK kämpfte jahrzehntelang für einen Kurdenstaat im Osten der Türkei und wird von der Europäischen Union (EU) als terroristische Vereinigung betrachtet.

Quelle: ntv.de, dsi/vpe/rts/dpa

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