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Der erste Schritt zum Designer-Baby Forscher manipulieren erstmals Embryo-Gene

Wie soll mein Kind sein? Wenn es möglich ist, durch eine Manipulation der Gene bestimmte Krankheiten schon vor der Geburt auszuschließen, könnten theoretisch auch andere Merkmale verändert werden.

Wie soll mein Kind sein? Wenn es möglich ist, durch eine Manipulation der Gene bestimmte Krankheiten schon vor der Geburt auszuschließen, könnten theoretisch auch andere Merkmale verändert werden.

(Foto: AP)

Das Experiment ist mehr als umstritten: Chinesische Forscher verändern das Erbgut von Embryonen. Und brechen damit ein Tabu.

Gerüchte gab es schon länger: Techniken der Gentherapie werden womöglich eingesetzt, um das Erbgut menschlicher Embryonen zu verändern, mutmaßte die Fachwelt. Im Klartext heißt das: Was eigentlich dazu dienen soll, Krankheiten zu behandeln, könnte missbraucht werden, um Designer-Babys zu schaffen. Chinesische Forscher gingen nun den ersten Schritt in diese Richtung: Sie manipulierten die DNA mehrerer Embryonen.

Die Methode, die Junjiu Huang und seine Kollegen von der Universität Guangzhou anwendeten, ist eine vergleichsweise einfache. So einfach, das sie – so fürchten Genforscher – in Kinderwunschzentren Anwendung finden könnte: Mit bestimmten Enzymen wird die DNA an einer festzulegenden Sequenz geschnitten und die genetische Information an dieser Stelle gelöscht oder überschrieben. Der Name der Methode ist unaussprechlich: Sie heißt CRISPR/Cas9.

Gentherapie in Gefahr

Institut für Experimentelle Gentherapie und Tumorforschung (IEGT) der Universitätsmedizin Rostock: Hier haben Forscher 2013 ein Gen entdeckt, das für die Metastasierung von Tumoren verantwortlich sein soll.

Institut für Experimentelle Gentherapie und Tumorforschung (IEGT) der Universitätsmedizin Rostock: Hier haben Forscher 2013 ein Gen entdeckt, das für die Metastasierung von Tumoren verantwortlich sein soll.

(Foto: picture alliance / dpa)

Für die Gentherapie birgt die Methode großes Potenzial. Gentherapie, die in Studien bereits Erfolge gezeigt hat, bedeutet: Einem Patienten werden einige Zellen entnommen, und im Labor wird in diesen Zellen das defekte Gen, das die Krankheit verursacht, durch ein intaktes Gen ersetzt. Dann können die Zellen vermehrt werden, bis sie schließlich wieder in den Körper des Patienten eingebracht werden. Die Therapie ist auch ohne den Umweg über das Labor denkbar, sie kann also unter Umständen auch direkt im Körper erfolgen.

Huang ging nun aber einen anderen Weg, um ein für eine Blutkrankheit verantwortliches Gen zu verändern. Er arbeitete nicht mit Patienten, sondern mit 86 nicht lebensfähigen menschlichen Embryonen, die er von örtlichen Kinderwunschzentren erhalten hatte. Mit der CRISPR/Cas9-Methode griff er in ihr Erbgut ein. 71 Embryonen überlebten das Prozedere, 54 von ihnen wurden anschließend untersucht. Das Ergebnis: In nur 28 Fällen war der Eingriff überhaupt gelungen, und "nur ein Bruchteil von ihnen wies das veränderte genetische Material auf", so der Forschungsbericht.

Huang beklagt hohe Mutationsrate

"Die Methode ist noch nicht ausgereift", lautet Huangs Fazit. "Wenn man dies bei normalen Embryonen versuchen will, sollte die Erfolgsquote bei fast 100 Prozent liegen." Auch über unbeabsichtigte Mutationen, die während der Testreihe auftragen, äußerte er Bedenken. Die Mutationsrate lag offenbar weit höher als bei vorherigen Versuchen mit Mäusen oder Zellen erwachsener Menschen.

Huangs Vorgehen stößt bei vielen Forschern auf Kritik. Der Weg zum Designer-Baby – fernab von medizinischen und therapeutischen Maßnahmen - scheint nicht mehr weit. Edward Lanphier, Vorsitzender des Bündnisses für regenerative Medizin in Washington D.C., spricht sich daher dafür aus, menschliche Embryonen grundsätzlich nicht zu verändern. Lanphier sieht dringenden Bedarf für eine internationale Diskussion über Sicherheit und Ethik auf diesem Gebiet. Seine Befürchtung: Wird die Forschung für nicht-therapeutische Maßnahmen missbraucht, ist auch die seriöse Wissenschaft in Gefahr: "Wir haben Bedenken, dass ein öffentlicher Aufschrei über solch einen ethischen Bruch die vielversprechende therapeutische Entwicklung behindern würde", sagt Lanphier und fordert ein weltweites Moratorium.

Folgen sind nicht absehbar

Doch es gibt auch die andere Seite: Forscher, die die Möglichkeit, Erbkrankheiten schon vor der Geburt auszuschließen, als großen Lichtblick sehen. Auch sie sprechen sich für breit geführte ethische Diskussionen aus, befürworten aber, dass die Bemühungen, Erbkrankheiten auf diesem Wege auszurotten, weiterhin ein wissenschaftliches Ziel sein sollten.

Die Folgen genmanipulierter Embryonen, Eier oder Spermien aber sind nicht absehbar. Klar ist: Die Menschen, die aus den bearbeiteten Zellen heranwachsen und die keine Möglichkeit hatten, der Manipulation zuzustimmen oder sie abzulehnen, würden ihre veränderten Gene an ihre Nachkommen und die nächsten Generationen weitergeben. Was das bedeutet – ethisch, rechtlich und medizinisch – und welche Auswirkungen es haben könnte, ist noch längst nicht geklärt. Und nicht nur das. Es ist in weiten Bereichen einfach unvorhersehbar.

Quelle: ntv.de

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