Wirtschaft

Flüchtlinge raus, reiche Russen rein Orbán verkauft EU-Tickets für 300.000 Euro

Flüchtlinge will Ungarn nicht aufnehmen. Aber reiche Russen, Chinesen und Araber bekommen für kleines Geld in Budapest unbefristeten Eintritt in die EU. Welche Hintermänner dabei abkassieren, verrät die Orbán-Regierung nicht.

Die ungarische Regierung probt dieser Tage einen großen Spagat in der Frage der Zuwanderung: Einerseits soll die Bevölkerung am Sonntag gegen den von der EU beschlossenen Zuzug von Flüchtlingen stimmen, andererseits verkauft die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán seit Jahren lebenslange Aufenthaltsrechte für zahlungskräftige Migraten aus dem Nicht-EU-Ausland. Lediglich 360.000 Euro müssen Russen und Chinesen für einen unbefristeten Titel berappen.

Zypern, Malta oder Bulgarien - viele EU-Staaten haben in den vergangenen Jahren den Verkauf ihrer Staatsbürgerschaft als lukratives Geschäft entdeckt, um ihre maroden Kassen aufzufüllen. Das ungarische Angebot ist ein besonderes Schnäppchen. Einen maltesischen Pass für Nicht-EU-Bürger gibt es immerhin erst für 650.000 Euro.

Das ungarische "Residency Bond Program", das als besonders einfach gilt, weil alle Formalitäten bei jeder ungarischen Botschaft im Ausland erledigt werden können, wurde vor drei Jahren aufgelegt. Interessenten kaufen zum Discountpreis von nur 300.000 Euro eine Staatsanleihe und bekommen dafür das Recht auf unbegrenzten Aufenthalt nicht nur für sich, sondern gleich für die gesamte Familie.

Das Geld fließt an einen fünf Jahre laufenden Fonds. Hinzu kommen 60.000 Euro an Anwaltsgebühren. Dafür bekommen die Bewerber im Gegenzug aber innerhalb von nur zwei Monaten eine permanente Aufenthaltsbewilligung. Nach Ablauf der fünf Jahre sollen die eingesetzten 300.000 Euro sogar noch zurückgezahlt werden - so versprechen es zumindest die Macher des Programms.  

Zugegriffen haben sollen laut Homepage des "Residency Bond Program" bislang knapp 4000 Ausländer. Fast 90 Prozent sind Chinesen, gefolgt von Russen, Iranern und Türken. Ihre Familien mitgezählt, haben sich knapp 10.000 Menschen die permanente Aufenthaltsgenehmigung in Ungarn erkauft - die ihnen auch begrenzten Zugang zum Schengener Raum sichert. "Wenn sie daran verdient, ist die Angst der Regierung vor den Fremden plötzlich weg", klagt der linke ungarische Politiker Péter Juhász im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung".

Die EU beobachtet den florierenden Handel mit EU-Tickets mit Sorge, doch verhindern kann sie ihn nicht. Jeder EU-Staat darf seine Zuwanderung selber regeln. Eine Hürde für die kaufkräftigen Zuwanderer aber bleibt: Das visafreie Reisen im Schengener Raum ist nur mit echter Staatsbürgerschaft möglich. Personen, die lediglich über einen legalen Aufenthaltstitel verfügen, müssen die für alle Nicht-EU-Bürger geltenden Voraussetzungen für eine Weiterreise in der EU erfüllen. Orbáns Werbung für "freies Reisen im Schengener Raum ohne Visum und Grenzkontrollen" ist insofern irreführend. "Alle Bürger aus Nicht-EU-Staaten brauchen ein Visum, um im Schengener Raum zu reisen", räumen die Macher des Programms auch einen Klick weiter auf der Website ein.

Wer kassiert hier ab?

Wer die Hintermänner sind, bleibt auch drei Jahre nach Auflage des Programms völlig im Dunkeln - ebenso wie wer die deftigen Vermittlungsgebühren von 15 bis 20 Prozent auf jeden 300.000-Euro-Titel kassiert. Das "Residency Bond Program" schreibt lediglich dazu: "Wir vermitteln Ihnen nur die besten Aufenthalts- und Staatsbürgerschaftprogramme."

Bekannt ist nur: Verkauft werden die Staatsanleihen von fünf Firmen, die ihren Sitz auf den Cayman Islands, auf Zypern und in Liechtenstein haben. Nur eine einzige hat ihren Sitz in Ungarn. Dem Fraktionschef der Sozialisten im ungarischen Parlament, Csaba Tóth, ist das suspekt. Er will das Gesetz am Montag - einen Tag nach dem Referendum - kippen. Seine Erfolgsaussichten sind allerdings gering. Tóth müsste sich gegen die Mehrheit der regierenden Partei von Ministerpräsident Orbán durchsetzen. Orbán dürfte hier nichts zu befürchten haben.

Die EU bleibt derweil gelassen angesichts des Anti-Flüchtlings-Referendums am Sonntag: Der für Migration zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos stellte klar, Budapest könne lediglich über die Teilnahme an einer künftigen Aufteilungsquote für Flüchtlinge abstimmen. Die Volksabstimmung sei dagegen nicht für die bereits beschlossene Aufteilung von Migranten aus Italien und Griechenland bindend. Für den Fall, dass sich Ungarn diesem Beschluss widersetzt, schließt die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Budapest nicht aus.

Offenbar will Orbán es aber drauf ankommen lassen. Dabei sollte Ungarn lediglich 1294 von 160.000 Flüchtlingen aufnehmen. Doch mit seiner Verweigerungshaltung ist der Staat nicht allein. Insgesamt wurden bislang nur 5651 Flüchtlinge unter den EU-Staaten verteilt. Aufenthaltstitel im Gegenzug für Flüchtlings-Patenschaften wären vielleicht eine Idee. Auf jeden Flüchtling, den Ungarn aufnehmen soll, kommen immerhin drei neue Nicht-EU-Bürger, die das Land gegen Geld aufgenommen hat.

Quelle: ntv.de

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