Politik

Merkel rügt türkische Justiz Reporter Yücel muss in Untersuchungshaft

Der deutschtürkische Journalist Deniz Yücel bleibt nach Angaben der "Welt" weiter in einem türkischen Gefängnis. Ein Haftrichter schickt den Reporter in Untersuchungshaft. Kanzlerin Merkel und Außenminister Gabriel reagieren auf das Urteil scharf.

Nach 13 Tagen Polizeigewahrsam in der Türkei hat ein Haftrichter in Istanbul Untersuchungshaft für den "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel erlassen. Der Haftrichter sei dem Haftantrag der Staatsanwaltschaft am Abend gefolgt, berichtete die "Welt". Dem 43-jährigen Korrespondenten würden "Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung" vorgeworfen. Yücels Anwälte wollen in einer Woche Einspruch gegen die Untersuchungshaft einlegen.

Verdächtige können in der Türkei bis zu fünf Jahre in Untersuchungshaft gesperrt werden. Yücel besitzt sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft. Er ist der erste deutsche Korrespondent, der seit der Regierungsübernahme der islamisch-konservativen AKP des heutigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan im Jahr 2002 in Untersuchungshaft kommt. Laut der türkischen Nachrichtenagentur Dogan waren der deutsche Generalkonsul  in Istanbul, Georg Birgelen, und Vertreter der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) als Beobachter im Gericht anwesend.

Die "Welt" berichtete, der Haftrichter Mustafa Cakar habe in der Vergangenheit schon mehrere Journalisten der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet" zu U-Haft verurteilt. Der Staatsanwalt habe Yücel allgemein zu seinen Artikeln befragt und dann Haftantrag gestellt. Der zuständige Staatsanwalt Yilmaz ermittelte bereits gegen sechs andere Journalisten, die ebenso wie Yücel offenbar wegen der E-Mail-Affäre um Energieminister Berat Albayrak ins Visier der Justiz geraten waren. Die E-Mails waren Ende September von der linken Hackergruppe Redhack im Internet veröffentlicht worden. Viele türkische Medien vermieden es damals, über die brisanten E-Mails zu berichten. Laut der "Welt" wurde Yücel aber nicht nur zu seinen Artikeln über die Affäre befragt, sondern auch über seine Berichte aus den Kurdengebieten und zu Erdogan.

Bundeskanzlerin Merkel bezeichnete die Entscheidung als "bitter und enttäuschend". Und weiter: "Diese Maßnahme ist unverhältnismäßig hart, zumal Deniz Yücel sich der türkischen Justiz freiwillig gestellt und für die Ermittlungen zur Verfügung gestellt hat." Die Bundesregierung werde sich "weiter nachdrücklich für eine faire und rechtsstaatliche Behandlung Deniz Yücels einsetzen und hoffen, dass er bald seine Freiheit zurückerlangt.

"Wir sind fest entschlossen"

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel kritisierte die Untersuchungshaft für Yücel scharf. "Das ist eine viel zu harte und deshalb auch unangemessene Entscheidung", erklärte Gabriel. "Sie berücksichtigt weder das demokratische hohe Gut der Presse- und Meinungsfreiheit noch, dass Deniz Yücel sich freiwillig der türkischen Justiz gestellt und bereit erklärt hat, für das Ermittlungsverfahren voll zur Verfügung zu stehen." Gabriel sprach von "schwierigen Zeiten für die deutsch-türkischen Beziehungen".

Der SPD-Politiker sagte weiter: "Der Fall Deniz Yücel wirft ein grelles Schlaglicht auf die Unterschiede, die unsere beiden Länder offensichtlich bei der Anwendung rechtsstaatlicher Grundsätze und in der Bewertung der Presse- und Meinungsfreiheit haben." Gabriel kündigte an: "Wir haben allen Grund, das mit der Türkei in großer Deutlichkeit zur Sprache zu bringen."

Yücel hatte sich am 14. Februar bei der Polizei in Istanbul gemeldet, weil nach ihm gefahndet wurde, und war festgenommen worden. Der "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt hatte danach an die Behörden appelliert, keine Untersuchungshaft zu verhängen. Yücel hatte seine Bedingungen im Polizeigewahrsam - vermittelt über seinen Anwalt - in der "Welt am Sonntag" als schwierig bezeichnet. Er hatte aber auch hinzugefügt: "Mir geht es ganz gut."

Yücel teilte sich demnach mit meist ein bis zwei Mitgefangenen eine Sieben-Quadratmeter-Zelle. Gewalt habe er nicht erfahren oder mitbekommen. Die Polizisten seien manchmal grob im Ton, aber nicht ausfallend und im Rahmen der Vorschriften meistens auch hilfsbereit.

Yücel war nicht akkreditiert

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen lag die Türkei schon vor dem im Juli 2016 verhängten Ausnahmezustand auf Platz 151 von 180 Staaten. Dutzende regierungskritische türkische Journalisten sitzen in Haft. Im Dezember war ein amerikanischer Korrespondent des "Wall Street Journals" vorübergehend festgenommen worden, er verließ anschließend das Land.

Yücel ist seit Mai 2015 Türkei-Korrespondent der "Welt". Die Regierung hatte ihm eine Akkreditierung verweigert. Da er auch türkischer Staatsbürger ist, konnte er dennoch legal im Land arbeiten. Zahlreiche türkische Journalisten sind nicht von der Regierung akkreditiert. Bei ausländischen Korrespondenten ist die Akkreditierung Voraussetzung für die Aufenthaltsgenehmigung.

Quelle: ntv.de, shu/dpa/AFP

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